Welt ohne Netzkabel: Strom für Handys & Co. durch die Luft
Welt ohne Netzkabel
Der Physiker Marin Soljacic will die Welt von Netzkabeln befreien, Handys und Computer einfach in der Tasche aufladen lassen. Er will die Welt vom Kabelgewirr befreien, drahtlose Geräte wirklich drahtlos machen, die letzte Leitung kappen, das Netzkabel. Denn was nutzen Bluetooth, UMTS und das schnellste W-Lan, wenn Handy und Laptop dauernd an der Steckdose hängen? Soljacic will die Energie für mobile Geräte so übertragen, wie heute schon Informationen transportiert werden – durch die Luft. Einen kabellosen Fernseher hat er schon gebaut.
500.000 Dollar Preisgeld in Firma gesteckt
Dieser Mann ist ein Genie. Jedenfalls hat er 2008 den „Preis für Genies“ bekommen, das MacArthur-Stipendium: 500.000 Dollar zur freien Verfügung. Das Magazin Technology Review wählte ihn 2006 zu einem der „Young Innovators under 35“. Jetzt hat er eine Firma gegründet: WiTricity, für Wireless Electricity, Strom ohne Kabel.
Seine Frau ist schuld
Die Geschichte seiner Erfindung hat Soljacic, Professor für Physik am Massachusetts Institute of Technology, schon oft erzählt. „Meine Frau denkt nie daran, ihr Handy aufzuladen, und dann piepst es, und man muss das Ladegerät finden und das Handy aufladen, sonst hört es nicht auf, und das passiert natürlich immer nachts. Und da habe ich gedacht: Wäre es nicht toll, wenn sich das Ding selbst ums Aufladen kümmern würde?“
Sender und Empfänger aufeinander abgestimmt
Im Sommer 2007 brachte er eine Glühbirne zum Leuchten. Zwei Meter weit floss der Strom dafür durch die Luft. Versucht man mit Radiowellen Energie zu übertragen, verteilt sie sich gleichmäßig im Raum, nur ein winziger Teil kommt beim Empfänger an. Bündelt man sie dagegen, etwa in einem Laserstrahl, lässt sie sich zwar gezielt transportieren, aber nur, wenn niemand im Weg steht. Sein Trick besteht darin, Sender und Empfänger genau aufeinander abzustimmen: Die Quelle, eine stromdurchflossene Spule, sendet ein pulsierendes Magnetfeld mit einer bestimmten Frequenz. Nur wenn eine zweite, exakt auf diese Frequenz geeichte Spule in der Nähe ist, wird Energie übertragen.
Größte Hürde: Effizienz
Nicht nur Handys und Laptops könnten so versorgt werden, sagt er, sondern auch Militär- und Haushaltsroboter – er selbst habe vier autonome Staubsauger -, außerdem Elektroautos, Herzschrittmacher und vielleicht auch beheizbare Kleidungsstücke. Ganz neu ist die drahtlose Stromübertragung nicht. Das Prinzip wird in der Industrie für die Energieversorgung von Sensoren genutzt, etwa in Fertigungsstraßen für Autos. Soljacic ist aber der Erste, der drahtlosen Strom für jeden verwendbar machen will. Das größte Problem ist die Effizienz: Nach zwei Metern erreicht nur etwa die Hälfte der Energie das Gerät, eine indiskutable Verschwendung. Verringern ließe sie sich durch einen kleineren Abstand zwischen Stromquelle und Empfänger. Über einen Meter kommen 90 Prozent der Energie an.
Intel zurückhaltend
Der Chipfabrikant Intel hat die Technik schon ausprobiert, sein Urteil klingt zurückhaltend: Es gebe noch viele Probleme, aber die Entwickler hofften, sie eines Tages lösen zu können. Auch Soljacic hat noch einiges zu tun. Der Prototyp setzt fünf Prozent der Energie als elektromagnetische Strahlung frei, und die liegt über den erlaubten Grenzwerten. Außerdem funktioniert die Übertragung noch nicht, wenn sich der Empfänger bewegt.
Die kabellose Stromübertragung erforscht er am MIT eher nebenbei – und nicht ganz uneigennützig. „Es wäre praktisch“, sagt er, „wenn ich bei dem ganzen Hin und Her zwischen MIT, Firma und Hotels nicht dauernd an das Ladegerät denken müsste.“ Das fällt ihm offensichtlich schwer: Auf seinem Regal liegen drei Laptop-Adapter.
Quelle: Spiegel.de