RWE & E.ON planen in UK neue Mega-Kernkraftwerke

Merkwürdige Entwicklung im Vereinigten Königreich. Während in Deutschland die erneuerbaren Energien auf dem Vormarsch sind und mit rund 15% am Strommix schon einen erfreulichen Beitrag leisten, wird in Großbritannien die Errichtung neuer Kernkraftwerke diskutiert. Deutsche und französische Energiekonzerne wittern Morgenluft und bringen sich in Position.


Überalterte britische Kernreaktoren

Großbritannien betreibt derzeit 14 kommerzielle Kernkraftwerke. Allerdings müssen in den kommenden 15 Jahren fast alle Reaktoren wegen teilweise dramatischer Überalterung stillgelegt werden. Daher forderte die britische Regierung im Januar 2008 die Industrie dazu auf, Pläne zum Ausbau der Kernenergie auszuarbeiten. Eine staatliche Finanzierung von Aufbau, Betrieb, oder Entsorgung wurde jedoch ausgeschlossen.

Franzosen und Deutsche in den Startlöchern

Der staatlich dominierte französische Marktführer Electricité de France (EdF) hatte bereits im September vergangenen Jahres für rund 13 Mrd. Euro den Atomkraftwerksbetreiber British Energy mitsamt seiner acht veralteten Kernreaktoren übernommen. EDF betreibt derzeit weltweit 58 Kernkraftwerke (u.a. Cattenom) an 20 Standorten. In Deutschland hält die EDF 45,01 % am baden-württembergischen Energieversorger EnBW. Ein Umstand, der Umweltschützer die Zornesröte ins Gesicht treibt, ist die Praxis von EDF, rund 13 Prozent des in seinen Kraftwerken anfallenden radioaktiven Abfalls über Le Havre nach Russland zu verschiffen.
Um gegenüber den Franzosen nicht ins Hintertreffen zu geraten, sicherten sich E.ON und RWE Ende April diesen Jahres in einer Auktion der National Decomissioning Authority (NDA) die Grundstücke, auf denen die neuen Kernkraftwerke in Wylfa und im westenglischen Oldbury gebaut werden sollen. Am Standort Wylfa im nordwestlichen Ausläufer von Wales stehen heute zwei 490 MW Kernreaktoren mit der veralteten Magnox-Technik, deren Bau vor über 45 Jahren begann und die 1971 in Betrieb genommen wurden. Diese Altertümchen sollen 2010 abgeschaltet werden, das NDA prüft aber bereits eine mögliche Verlängerung der Laufzeit.

Joint-Venture nimmt Arbeit auf

Um das Milliardengeschäft mit der britischen Kernkraft gemeinsam stemmen zu können, haben E.ON und RWE die Gründung des Gemeinschaftsunternehmen „Horizon Nuclear Power“ zum Bau neuer Kernkraftwerke in Großbritannien verkündet. Das Joint Venture wird am 16. November 2009 die Arbeit aufnehmen.
Bis 2025 wollen RWE und E.ON nach eigenen Angaben in Großbritannien neue Kernkraftkapazitäten im Umfang von rund 6.000 Megawatt errichten. Das entspricht rund sechs neuen Kernreaktoren. Das erste gemeinsame Kraftwerk solle bis 2020 in Betrieb gehen. Die Auswahl des Reaktorlieferanten solle möglichst früh im kommenden Jahr erfolgen.

Zeitgemäße Argumentation: CO2 & Arbeitsplätze

Um den gesellschaftlich heiß diskutierten Wiedereinstieg in die Atomenergie möglichst gesellschaftspolitisch-konform zu kommunizieren, gehen beide Konzerne auf Nummer sicher: Arbeitsplätze und CO2-Vermeidung geht derzeit immer! „Kernenergie trägt zur globalen Energieversorgung der Zukunft in zunehmenden Maße bei“, sagte der Vorstandsvorsitzende der RWE AG, Jürgen Großmann: „Sie ist ein Schlüsselelement der RWE-Strategie für Wachstum und CO2-Reduktion.“ Aus Sicht von E.ON-Chef Wulf Bernotat kann Strom „mit Kernkraft als kohlendioxidfreier Energiequelle bei gleichzeitigem Schutz des Klimas am effizientesten erzeugt werden.“ In Zeiten hoher Energiepreise, so Bernotat weiter, „spielt die Kernkraft eine wichtige Rolle für die verlässliche und wirtschaftliche Versorgung mit Strom.“ Für das gesamte Neubauprogramm erwarten die Konzerne Investitionen von mehr als 15 Milliarden Pfund (16,7 Milliarden Euro). In seiner Rede zur Fertigstellung des Offshore-Windparks Rhyl Flats stellte Großmann für jeden der beiden Kraftwerksstandorte jeweils 800 permanente Arbeitsplätze in Aussicht.


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